Eigenbedarfskündigung zur Unterbringung von Flüchtlingen?

Flüchtlinge_Wohnung_Eigenbedarf_KündigungDie Entscheidung eines Bürgermeisters in der Nordrhein-Westfälischen Kleinstadt Nieheim sorgt für Aufregen. Insbesondere der Fall einer 51-Jährigen Mieterin. Sie erhielt von der Stadt eine Kündigung wegen „Eigenbedarf“. Ihre seit 16 Jahren angemietete Wohnung würde für die Unterbringung von Flüchtlingen benötigt werden. Es stellt sich nunmehr nicht nur die Frage, ob eine Stadt wegen Eigenbedarf kündigen darf, sondern auch, welche Debatte dadurch ausgelöst werden könnte. Obwohl das Ganze vielleicht doch weniger eine juristische als eine moralische Frage ist, soll zunächst auf den rechtlichen Hintergrund eingegangen werden.

Unter einer Kündigung wegen Eigenbedarf wird im Allgemeinen die Kündigung nach § 573 Abs.2 Nr.2 BGB verstanden. Danach kann der Vermieter eine Wohnung kündigen, wenn er die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt. Klar ist, dass diese Kündigungsgründe im beschriebenen Fall einer Gemeinde nicht eingreifen können. Die Gemeinde ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und damit eine juristische Person. Sie kann unmöglich einen Eigenbedarf für Familienangehörige geltend machen. Die geführte Diskussion um einen „Eigenbedarf„ der Stadt geht deshalb aus juristischer Sicht schon in die falsche Richtung.

Für juristische Personen ist es tatsächlich möglich im Rahmen des § 573 BGB eine Kündigung wegen Betriebs- oder Berufsbedarf auszusprechen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn die Wohnung für einen Arbeitnehmer verwendet werden soll. Eine Kündigung der Betriebswohnung kann gegenüber einem aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidenden Arbeitnehmer ausgesprochen werden. Erst Recht ist bei Vorliegen eines Betriebsbedarfs die Kündigung gegenüber einer betriebsfremden Person möglich. Einleuchtend erscheint, dass auch diese Konstellation im Fall der durch die Stadt ausgesprochenen Kündigung nicht vorliegt. Bei den Flüchtlingen bzw. Asylbewerbern handelt es sich nicht um Betriebsangehörige der Stadt für die das Wohnen in dieser Wohnung von unternehmerischer Bedeutung ist.

Die dargestellte Eigenbedarfskündigung stellt allerdings nur eine Variante der möglichen Kündigungsgründe nach § 573 BGB dar. Das Gesetz erlaubt dem Vermieter eine Kündigung generell, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Eigenbedarfskündigung ist lediglich ein exemplarisches Beispiel für das erforderliche berechtigte Interesse. Ein Vermieter kann auch aus anderen Gründen kündigen, wenn diese ein berechtigtes Interesse des Vermieters darstellen. Wegen der sozialen Bedeutung der Wohnung für den Mieter als Lebensmittelpunkt ist aber ein Interesse von einigem Gewicht notwendig. Jeder andere Kündigungsgrund muss deshalb gleich schwer wiegen, wie die im Gesetz genannten.

Ein bereits seit Jahren anerkannter Grund ist der öffentliche Bedarf oder das öffentliche Interesse. Dazu gehört bei einer Gemeinde das Benötigen von Wohnraum zur Erfüllung wichtiger öffentlichen Aufgaben, und hierunter fällt auch die Unterbringung von Asylbewerbern. Die Gemeinden in Deutschland sind verpflichtet für die Unterbringung der Flüchtlinge zu sorgen. Wegen der besonderen Bedeutung der Wohnung als Lebensmittelpunkt, muss die Bedeutung der öffentlichen Aufgabe von einigem Gewicht sein. Kann im beschriebenen Fall eine Abwägung zu Gunsten der Gemeinde ausfallen?

Die 51-Jährige Mieterin bewohnt die Wohnung der Gemeinde seit 16 Jahren. Im Haus sind bereits mehrere Flüchtlingsfamilien untergekommen. Laut eigenen Angaben in den Medien verstehe sie sich gut mit ihren neuen Nachbarn. Sie habe ihnen einen Fernseher gegeben und sitze öfter mit ihnen zusammen. Ist das nicht exakt der von Politikern und anderen Optimisten erhoffte Umgang mit den Neuankömmlingen? Welch paradoxes Zeichen wird durch die Politik gesetzt, wenn alteingesessene gegen neu angekommene getauscht werden?

Die Mieterin hat zumindest die Möglichkeit einen Widerspruch gegen die Kündigung einzulegen. Begründet werden kann dieser etwa mit einer unzumutbaren Härte. An einer gerichtlichen und damit finanziell belastenden Auseinandersetzung führt dann aber meist kein Weg vorbei. Wie die Gerichte entscheiden werden, kann auch anhand ergangener Entscheidungen nicht prognostiziert werden. Das ist und bleibt eine Abwägungsfrage im Einzelfall. Kündigungen aufgrund eines wichtigen öffentlichen Interesses, wurden in der Vergangenheit bereits zur Schaffung von Obdachlosenunterkünften und auch zur Schaffung von Unterkünften für Aussiedler und Asylbewerber anerkannt.

Rechtspopulisten nutzen dieses Thema bereits um Stimmung gegen Asylbewerber zu verbreiten. Sie verfassen Kündigungen, in denen den Mietern mitgeteilt wird ihre Wohnung würde für Asylbewerber gebraucht werden. Bei Zweifeln ist es für Mieter deshalb wichtig sich zunächst zu erkundigen und sicher zu stellen, dass es sich tatsächlich um eine Kündigung durch den Vermieter handelt.

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