Wenn der 5jährige Benjamin mit seiner Kita zum Laternenbummel ins vorweihnachtliche Berlin ausrückt, um ein kräftiges „Rabimmel, Rabammel, Rabumm“ erklingen zu lassen, weiß er nicht, dass wenn Mammi Lied- und Notenkopien zum mitsingen erhält, nicht nur die Laternen sondern vor allem die „Augen“ der GEMA leuchten. 55 Euro und 7 Prozent Mehrwertsteuer zahlt ein Kindergarten für 500 Kopien im Jahr.
Es gibt wohl kaum eine Gesellschaft, die nach der GEZ verhasster ist als die GEMA. Kurz nach dem Krieg hervorgegangen aus der nationalsozialistischen, von Juden bereinigten STAGMA nimmt sie die Verwertung „musikalischer Aufführungs- und mechanischer Vervielfältigungsrechte“ für die ihr angeschlossenen Urheber wahr und hat inzwischen durch zahllose Verträge mit in- und ausländischen Verwertungsgesellschaften ein geradezu monströses Monopol geschaffen, gegen das in seiner nahezu lückenlosen Abdeckung große Monopole aus der Stahl- und Energiebranche wie Waisenknaben aussehen. Das Kartellamt ist machtlos. Selbst große Weltkonzerne wie Sony, Google und Amazon fürchten inzwischen die Macht des Verwertungs-Riesen aus Deutschland!
So vergeht kaum eine Woche, in der nicht irgendeine weitere Episode aus der ohnehin an Absurditäten nicht gerade armen GEMA-Geschichte bekannt wird: Mal ist es eine türkische Hochzeit, auf die sich ein GEMA-Kontrolleur geschlichen hat, um auf diese Weise den öffentlichen Charakter der Veranstaltung zu beweisen, mal ist es ein Singkränzchen dementer Seniorinnen, die Post von der GEMA bekamen, weil sie ihre Musikfolgen nicht zur Genehmigung eingereicht hatten. Und vollkommen undurchschaubar wird es, wenn der Tabellendschungel der GEMA mit pauschalierten Flächenberechnungen, Prozentanteilen von Einnahmen und sogar Lautstärkemessungen zur Anwendung kommt. Da werden plötzlich Flüsterkneipen zur Eventgastronomie hochgejazzt – nur weil, wie etwa in der Nürnberger „Blume aus Hawaii“, der Kontrolleur 95 Dezibel gemessen haben will. Das entspricht einem Drucklufthammer in ein Meter Entfernung. Und kostet laut GEMA-Tabelle mehr als das Dreifache der vorherigen Gebühren.
„Dreh Dich nicht um, der GEMA-Kommissar geht um!“, heißt es mittlerweile in Kneipen zwischen Flensburg und Rosenheim. Kritik wie vom Gastronomieverband DEHOGA bügeln GEMA-Obere wie der ehemalige Rattles-Sänger und stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Frank Dostal als „Bullshit“ ab: „ Wir sagen, was wir wollen, genauso wie es Lokführer tun. Werden die dann mit Scheiße beschmissen?“ Nein! Vielleicht auch, weil deren Wortwahl nicht ganz so fäkal ist wie die aus dem Hause GEMA.
Durch ihre harte und für den Laien vollkommen undurchsichtige Preispolitik hat die GEMA den entgegengesetzten Effekt erreicht: Statt möglichst viele Veranstalter zu GEMA-Zahlern zu machen, hat sie das musikalische Leben in Deutschland nahezu ausgetrocknet. Während große Veranstalter, Diskotheken, Rundfunksender, Kirchen und Schulen die Gebühren über Rahmenverträge aus der Portokasse zahlen, sind die zahllosen Kulturinitiativen auf kommunaler Ebene oft auf Spenden und ehrenamtliche Tätigkeiten angewiesen. Geld und Zeit für die GEMA hat da niemand übrig. Lieber verzichten Weihnachtsmärkte und Dorffeste, Scheunenparties und Wohltätigkeitsbasare auf musikalische Untermalung, als sich mit den GEMA-Kontrolleuren anzulegen. Leidtragende sind die kleinen Musiker.
Dabei haben die meisten Veranstalter nichts gegen Zahlungen an die Urheber der Musik, nur ist für viele nicht nachvollziehbar, warum bei einem Weihnachtsmarkt die Gesamtfläche zur Berechnung herangezogen wird und nicht der Hörbereich um eine Bühne. Selbst die renommierte Großveranstaltung Fête de la Musique mit über 1000 Bühnen in 50 deutschen Städten, auf denen ohne Eintritt und honorarfrei Musik angeboten wird, ist in ihrer Existenz bedroht, weil – so der Vorwurf der Organisatoren – sie von der GEMA behandelt werden wie ein kommerzieller Konzertveranstalter.
Längst gehen nicht nur die GEMA-Nutzer auf die Barrikaden, auch die Mitglieder sind über das undurchsichtige Abrechnungssystem, das vor allem die großen Stars zu begünstigen scheint, sauer. Der Sprecher des Rock & Pop-Musiker-Verbands (DRMV), Ole Seelenmeyer, kritisiert, dass ein neues Abrechnungsverfahren in einer Nacht- und Nebelaktion ohne Mitgliederentscheid vom Vorstand durchgesetzt wurde, von dem hauptsächlich „dessen Mitglieder, so auch dessen damaliger Vorsitzender Otto Krause“ profitieren. „Diesem wirft er Ausbeutung und persönliche Bereicherung vor, da er mitunter das 100fache der für die Aufführung seiner alten Schlager eingenommenen Lizenzgebühren kassiere, während Rockmusiker nur 10 % der eingezahlten Lizenzgebühren zurückerhielten.“ (Quelle: Wikipedia)
Die Independent-Musikerin Barbara Clear machte sogar die Probe auf’s Exempel. Die Sängerin, die als Veranstalterin ihrer eigenen GEMA-pflichtigen Werke auftritt, behauptetweit mehr an Veranstalter-Gebühren für ihre Songs gezahlt zu haben, als sie als Urheberin aus dem Topf zurück erhielt. Wo ist das Geld? In den Taschen alter Schlager-Funktionäre?
Dass sich die GEMA dieses Verhalten leisten kann, liegt vor allem an ihrer beherrschenden Stellung auf dem Musikmarkt, die sogar dazu geführt hat, dass ein eherner Rechtsgrundsatz in Deutschland umgekehrt wurde: jede Partei trägt die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der ihr günstigen Rechtsnorm. Der BGH hat schon mehrfach klargestellt, dass angesichts der Tatsache, dass die GEMA durch ihre Gegenseitigkeitsverträge mit in- und ausländischen Gesellschaften einen Ausschließlichkeitsanspruch für Tanz- und Unterhaltungsmusik erworben habe, es dem Nutzer zuzumuten sei, zu beweisen, dass er keine Musik aus dem GEMA Repertoire verwende. Zunächst wird deshalb erst einmal vermutet, es handele sich um Tanz- und Unterhaltungsmusik deren Rechte von der GEMA wahrgenommen werden.
Diese sogenannte GEMA Vermutung kollidiert eigentlich mit § 13b Abs. 1 aus dem Urheberrechtswahrnehmungsgesetz (UrhWG), in dem es heißt: „Veranstalter von öffentlichen Wiedergaben urheberrechtlich geschützter Werke haben vor der Veranstaltung die Einwilligung der Verwertungsgesellschaft einzuholen, welche die Nutzungsrechte an diesen Werken wahrnimmt.“ Nun könnte man auf die Idee kommen, dass die Pflicht zur Einholung der Einwilligung bei GEMA-freier Musik entfällt, doch die GEMA Vermutung führt dazu, dass bei jeder Aufführung von Musik aus dem Tanz- und Unterhaltungsbereich davon auszugehen ist, es handele sich um Musik aus dem GEMA Repertoire. Die Wiedergabe muss deshalb generell bei der GEMA angezeigt werden. Ob die Nutzungsrechte von der GEMA wahrgenommen werden oder nicht, spielt keine Rolle.
Die Anzeigepflicht zieht dann die Programmpflicht nach sich. Hierbei muss die GEMA nach der Veranstaltung vom Veranstalter über die wiedergegebene Musikfolge informiert werden. Verletzt der Veranstalter eine seiner Pflichten, verlangt die GEMA bei den sog. kleinen Musikrechten Schadensersatz mit einem 100%igen Aufschlag auf den eigentlichen Tarif. Sie beruft sich dabei auf § 97 Urheberrechtsgesetz (UrhG), wonach dem Urheber bei Verletzung Schadenersatz zusteht. Dieser Kontrollzuschlag wird von der GEMA für den zu leistenden Kontrollaufwand gefordert und ist von den Richtern abgesegnet. Er sei zum Schutz des geistigen Eigentums, welches besonders leicht verletzt werden könne, notwendig.
In der Praxis hat dies zu einer großen Rechtsunsicherheit geführt. Kaum ein Veranstalter, der noch weiß, wann er was wie zu tun hat, um sich GEMA-getreu zu verhalten. Die GEMA nutzt dieses Chaos aus und verschickt Rechnungen mit Kontrollzuschlag im großen Stil, sobald sie einen Verstoß wittert – und verhält sich dabei nicht viel anders als die berüchtigten Abmahnvereine. Im Zweifel zahlt der Veranstalter, auch wenn es keine Rechtsgrundlage für die Forderung gibt.
Spielt ein Veranstalter ausschließlich klassische Musik aus Originalkompositionen, bei denen die Komponisten länger als 70 Jahre tot sind, kann er die Rechnungen beispielsweise getrost in den Papierkorb werfen. Da es sich hier eindeutig nicht um Tanz- und Unterhaltungsmusik, sondern um ernste Musik handelt, entfällt die sogenannte GEMA-Vermutung und es muss vor der Aufführung auch um keine Genehmigung gebeten werden. Dasselbe gilt für alte unbearbeitete Kinder-, Volks- und Weihnachtslieder, die als Volkseigentum ebenfalls nicht zum GEMA-Repertoire gehören.
Zum Jahresanfang hat die GEMA angekündigt, die Aufnahmegebühr für Urheber drastisch anzuheben, um satte 76 %. Sie begründet dies damit, „ihren Mitgliedern in einem zunehmend digitalen und komplexer werdenden Umfeld auch weiterhin qualitativ hochwertige Leistungen anzubieten.“ Im Klartext heißt das wohl so viel wie: Nach dem die emsigen GEMA-Kontrolleure jedes Wochenblatt, jede noch so winzige Veranstaltungsspalte in einem Programmblättchen nach verdächtigen Konzerten durchforstet haben, werden sie sich im nächsten Jahr wohl vor allem das Internet vornehmen. Wehe dem, der da als Musiker seine eigene Musik zum kostenlosen Download anbietet. Denn selbstverständlich muss er auch hier erst einmal die GEMA um Erlaubnis fragen und gegebenenfalls Gebühren zahlen, sofern er selbst einen Wahrnehmungsvertrag mit der GEMA geschlossen hat. Denn, was viele nicht wissen, die Urheber schließen mit der GEMA in der Regel einen Exklusivvertrag ab.
In einem Land, in dem das Kartellamt mit Argusaugen darüber wacht, dass sich keine marktbeherrschenden Zusammenschlüsse bilden, hat sich fast unbemerkt ein mächtiges Monopol gebildet, das inzwischen so stark ist, dass es ein eigenes Recht erschaffen hat und auch das Kulturleben maßgeblich beeinflusst. Deutschland ist vielleicht noch das Land der Dichter und Denker. Das Land der Musiker ist es seit der GEMA nicht mehr!