Es ist ein bekanntes Ritual, das jedem Terror-Anschlag mit islamistischem Hintergrund folgt. Kaum ist die Trauerzeit vorbei, schlägt die Stunde der Flagellanten. Prominente Büßer erobern die Sendeplätze und üben sich in öffentlicher Selbstgeißelung. Nicht der Islam sei schuld, sondern wir, die wir den Nahen Osten mit Krieg überziehen, Waffen liefern und somit die Terroristen selbst hervorgebracht hätten. Fehlt nicht viel – und die Überlebenden des Massakers müssen um Entschuldigung bitten, dass durch sie wieder einmal ein Schatten auf die Hochglanz-Idylle der multikulturellen Gesellschaft gefallen ist.
Zum Glück sehen es die Muslime selbst etwas entspannter. Millionen von ihnen verurteilten den Terror mit den knappen Worten: „Nicht in unserem Namen“. Das ist gut so! Falsch ist jedoch der nun schon bis zum Erbrechen wiederholte Zusatz, den alle hochrangigen Islamvertreter und ihre Verteidiger wie ein Mantra vor sich hertragen: „Das hat mit dem Islam nichts zu tun“. Zum Beweis werden Suren zitiert, die einen anderen friedlicheren Islam verkünden, als es der Islamische Staat praktiziert.
Doch bei näherem Hinschauen zerbröselt diese Kuschel-Offensive für den Koran. Oft sind die Passagen aus dem Zusammenhang gerissen, haben eine andere Bedeutung als behauptet, gelten nur in der Umma oder – anders herum – nur für die Vasallen, denen man Regeln auferlegte, um sie besser zu beherrschen. Besonders sinnfällig ist das bei der berühmten „Friedenssure“ 5,32, die in keiner Talkshow über die angebliche Gewaltlosigkeit des Korans fehlen darf: „Wer ein menschliches Wesen tötet, ohne (daß es) einen Mord (begangen) oder auf der Erde Unheil gestiftet (hat), so ist es, als ob er alle Menschen getötet hätte.“ Das klingt schwer nach einem Bibelwort und gefällt daher den Christen. Und das ist kein Zufall: Mohammed hat diese Regel den Juden auferlegt, denn der entscheidende Zusatz, den fanatische Islamflüsterer wie Jürgen Todenhöfer praktischerweise immer weglassen, lautet: „Aus diesem Grunde haben wir den Kindern Israels vorgeschrieben: Wer ein menschliches Wesen tötet … usw.“ – also ein Befehl! Dass diese Regel nicht für Muslime gilt, erfährt man einen Vers weiter: 5, 33: „Der Lohn derjenigen, die Krieg führen gegen Allah … ist indessen (der), dass sie allesamt getötet oder gekreuzigt werden, oder dass ihnen Hände und Füße wechselseitig abgehackt werden“ – also so, wie man den Islam aus der Geschichte kennt und liebt. Denn seit Mohammeds Kampf gegen die Quraish 624 n. Chr. ist der Orient ein einziges Schlachtfeld, eine vordere Kampfzone zwischen Medina und Mekka, zwischen Umayyaden und Husainiten, zwischen Sunna und Schia, zwischen Rechtgläubigen und Ungläubigen – manchmal mit Beteiligung des Okzidents, meist jedoch ohne. Die Araber, die auch den Kolonialismus und den modernen Sklavenhandel erfanden, brauchten beim Töten keine Unterweisung aus Rom.
Nun braucht man ohnehin viel Phantasie, um sich angesichts der Tatsache, dass in rund 17 islamischen Staaten die Scharia zum Tragen kommt – in fünf von Ihnen mit dem All-Inclusive-Angebot: Steinigen, Verstümmeln, Enthaupten – einen friedlichen Kern der Religion vorzustellen. Neben dem IS wetteifern noch 10 weitere große Dschihadgruppen von Ansar al-Scharia in Nordafrika bis al-Shabaab in Somalia um den Preis des grausamsten Wegs zu Gott – und ziehen dabei eine Blutspur durch die Welt, die jede andere Terrororganisation vor Neid erblassen lassen müsste. Haben die alle ihren Koran nicht gelesen, wie Todenhöfer vermutet?
Im Gegenteil. Es gibt nämlich entgegen der allgemeinen Ansicht, dass es sich bei dem Koran um ein weitgehend poetisches Werk mit einem faszinierendem Mystizismus handelt, auch Suren mit eindeutiger Gewaltverherrlichung und geradezu abstoßender Erniedrigung von Frauen als Sexsklavinnen und Reproduktionsspielzeug: „Euere Frauen sind euch ein Saatfeld. Geht zu euerem Feld, wie ihr wollt“ (2,223) oder: „Diejenigen aber, deren Widerspenstigkeit ihr fürchtet, warnt sie, meidet sie in den Schlafgemächern und schlagt sie.“ (4,34). Friedlich ist der Islam meist nur wenn es um die Organisation des eigenen Gemeinwesens geht, der Gruß Salam Aleikum (Friede sei mit Dir) wird nur unter Muslimen ausgetauscht. In der Auseinandersetzung mit den Ungläubigen ist jedoch so ziemlich alles erlaubt, kein Wunder für eine Schrift, die aus losen Überlieferungen während heftiger Kämpfe entstand: „Ich werde die Herzen der Ungläubigen mit Panik erfüllen. Trefft sie oberhalb ihrer Nacken, und schlagt ihnen alle Fingerspitzen ab!“ , (8,12), „Und tötet sie, wo immer ihr sie trefft, und vertreibt sie, von wo sie euch vertrieben haben.“ (2,191), „Als die schlimmsten Tiere (dawaabb) gelten bei Allah diejenigen, die ungläubig sind und (auch) nicht glauben werden.“ (8,55) Und so geht es weiter und weiter …
Nun könnte man einwenden, dass es auch im Alten Testament von solchen Gewaltanweisungen nur so wimmelt. Dabei wird jedoch vergessen, dass das Neue Testament einen deutlich pazifistischen Grundton anstimmt: „Euch allen sage ich: Liebt eure Feinde und tut denen Gutes, die euch hassen.“ (Lukas 6,8). Jesus wollte mit der Racheprosa des Alten Bundes brechen: „Wenn dich einer auf die linke Backe schlägt, dann halt ihm auch die andere hin“ (Mat 5,39).
Das Kreuz mit dem Koran ist dann auch weniger die Existenz dieser Blut- und Gewaltsuren, sondern vielmehr der Umgang mit ihnen. Während sich bei den großen christlichen Kirchen längst eine Hermeneutik durchgesetzt hat, die den spirituellen Gehalt der heiligen Schriften einer historisch-kritischen Bibelexegese unterzogen hat, verharrt der Islam immer noch auf dem Standpunkt, dass Mohammed zwar menschliche Züge trug, aber als Träger der göttlichen Offenbarung unfehlbare Wahrheiten verkündete. Damit können sich auch die islamistischen Blutsäufer direkt auf Mohammed berufen. Im Gegensatz zur christlichen Theologie, die dank der vielen Autoren – die oft zum selben Sachverhalt Unterschiedliches publizierten – schlussendlich zu der Überzeugung kam, dass es sich bei der Bibel um ein mehr oder weniger göttlich inspiriertes, aber letztendlich doch zeitgebundenes Menschenwerk handelt, ist für den gläubigen Muslim der Koran selbst ein „göttliches Wesen“. Ausgelegt (al-tafsir) wird nur, wenn sich Widersprüche ergeben.
Doch der größte Webfehler im Islam ist Mohammed selbst. Er ist nicht nur Gottgesandter und „heiliges Siegel“ – er ist der letzte Prophet! Damit schwindet jede Hoffnung, dass sich aus den Reihen der islamischen Geistlichkeit ein Reformer wie etwa Luther hervortut, der dem Glauben eine neue und zeitgemäße Richtung gibt und den Glauben in einen friedlichen Hafen lenkt. „No Direction Home“, möchte man mit Bob Dylan sagen. Eine lost religion, die sich eine spirituelle Sackgasse geschaffen hat, in der es keine Wendemöglichkeit gibt.
Kaum bemerkt, hat sich vor wenigen Monaten Papst Franziskus bei den südamerikanischen Ureinwohnern für die Verbrechen der Katholischen Kirche entschuldigt, so wie es zuvor auch schon Papst Johannes Paul II. bei den Juden getan hat. Niemand will, dass sich hochrangige Islamvertreter für die IS-Morde entschuldigen – aber ein paar klärende Wort darf die Welt nach Paris schon erwarten.
Die Bibel wird auch, im Unterschied zum Koran, nie Menschen aufstacheln, andere zu bestrafen. Im Alten Testament kommen drastische Strafen vor, aber stets ist es Gott, der straft, der die Sintflut sendet, der Sodom und Ghomorra vernichtet. Daher ist der Islam eine Sekte, keine Religion, und ein Verbot der Sekte „Islam“ steht der Religionsfreiheit nicht entgegen.
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