Gefühl oder Härte – wie umgehen mit den Flüchtlingsströmen?

Bildschirmfoto 2015-08-24 um 15.17.14Nur wenigen Flüchtlingen sieht man an, ob sie aus politischen oder aus wirtschaftlichen Gründen ihr Heimatland verlassen. Sie tragen Billig-Jeans, T-Shirts und Sport-Trikots, die aus westeuropäischen Altkleider-Containern stammen könnten. Allein die Route der Flucht gibt Hinweise. Eine mörderische Reise, die bei den Menschen Spuren hinterlassen hat. Erst die Todesmärsche aus den umkämpften Gebieten im Irak und Syrien – entweder auf der Flucht vor den Bomben Assads oder dem Terror der „Daesch“ im sogenannten Islamischen Staat – dann die Todeskämpfe auf Flüchtlingsschiffen, die Schleuser und Menschenhändler zu schwimmenden Sardinenbüchsen umfunktioniert haben. „Seelenverkäufer“ – selten war der Ausdruck passender als für die derzeitige Tragödie, die sich im Mittelmeer abspielt.

Dagegen ist die Anreise der Flüchtlinge aus dem Balkan vergleichsweise komfortabel. Die Grenze von Mazedonien zu Griechenland, an der sich derzeit die Flüchtlinge aus Vorderasien stauen, liegt hinter Ihnen, vor ihnen die Aussicht auf ein besseres Leben in Deutschland, Österreich oder Schweden. Viele von ihnen – vor allem die Roma – haben in ihren Herkunftsländern Verfolgung erlebt, aber ist ihr Schicksal deshalb vergleichbar mit schwer traumatisierten Jesidinnen, Kurden oder Christen aus Syrien oder dem Irak?

Politisch Verfolgte genießen laut Artikel 16a im Grundgesetz Asylrecht. Doch das gilt, so Absatz 3, nicht für Staaten, „bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet.“ Seit November 2014 gelten Serbien, Bosnien und Mazedonien als „sichere Herkunftsländer“. Demnächst sollen auch noch Albanien, Kosovo und Montenegro dazu kommen. Anträge aus diesen Ländern gelten als „offensichtlich unbegründet“ und verkürzen die Antragszeit – um 10 Minuten!

„Symbolpolitik“, sagen daher Politiker wie Anton Hofreiter. Andere politische Gruppen und kirchlichen Verbände lehnen das Konzept der „sicheren Herkunftsländer“ komplett ab und fordern ein „Bleiberecht für alle“. Sie würden offensichtlich jeden nehmen, der aus einem Land mit unklaren Verhältnissen kommt und in das politisch nützliche Verfolgungs-Schema passt, das sich eine bestimmte Barmherzigkeits-Branche von allen (!) Herkunftsländern macht.

Doch hat jemand schon einmal darüber nachgedacht, dass der Stempel „unsicheres Herkunftsland“ auch jene Orte zu Paria-Staaten abqualifiziert, die sich gerade von den Folgen des Balkankriegs erholt haben und nun unter großen Mühen dabei sind, die Bedingungen für den EU-Beitritt zu erfüllen. Wer Albanien mit Syrien vergleicht, beweist nicht nur seine Ahnungslosigkeit, sondern auch seine Arroganz, indem er einem chauvinistischen Drang nach kultureller und sozialer Bevormundung Vorschub leistet. Ein mitunter gutgemeintes, aber letztendlich hilfloses Helfer-Syndrom, das den Flüchtling zum Objekt und seine Verhältnisse zur Projektionsfläche für eigene Wünsche und Sehnsüchte degradiert. Fast jeder zweite Flüchtling kommt vom Balkan – und wird in seiner Heimat dringender gebraucht als in Deutschland.

Kein Wunder, dass sich die betroffenen Länder dagegen verwahren, von Weltverbesserern wieder mal als vordere Kampfzone für ideologische Grabenkriege missbraucht zu werden. Sie wollen auf Augenhöhe wahrgenommen werden und sind wie der Ministerpräsident Montenegros, Milo Dukanovic, davon überzeugt, „dass Montenegro alle Kriterien erfüllt, um als sicherer Herkunftsstaat im Sinne des deutschen Rechts klassifiziert zu werden.“

Und noch einen unangenehmen Nebeneffekt hätte die unterschiedslose Behandlung der Flüchtlinge: Wenn es bei den Flüchtlingsströmen nach Deutschland bleibt – 800.000 werden es wohl in diesem Jahr – braucht man kein Prophet zu sein, um weitere Ausschreitungen gegen Flüchtlingsunterkünfte wie in Heidenau zu prophezeien. Die Schläger des braunen Mobs sind nur der militante Arm einer nicht unbedeutenden fremdenfeindlichen Bevölkerungsgruppe, die umso größer und stärker wird, je weniger die Politik in der Lage ist, das Asylrecht gegen Missbrauch zu schützen. Und bei manchen „Bleiberecht für alle“-Vertretern hat man sogar den Eindruck, dass sie die rechten Gewalttäter förmlich herbei provozieren, um sie dann umso lautstärker zu bekämpfen. Es steckt offensichtlich eine Sehnsucht nach Krawall in jedem Flüchtlingshelfer.

Gerade um jenen zu helfen, die es wirklich verdienen, muss man alle anderen – und zwar schon im Vorfeld – ablehnen, die nur eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lebensverhältnisse erhoffen, so verständlich das auch sein mag. „Gefühl und Härte“ – so lautete ein alter Slogan der Studentenbewegung! Für die Letztbetroffenen kann ein Einwanderungsgesetz Sorge tragen!

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